Du stellst fest, dass es zwei konträre Lager gibt, das eine Lager sagt, wir
können selbst gestalten und kreieren uns letzten Endes selbst.
Während die anderen sagen, wir selbst sind Erscheinungen im Bewusstsein und
Erscheinungen können nur wahrgenommen werden, sich aber nicht selbst bewegen,
weil die Erscheinung dem Original wie ein Schatten folgt, bzw. weil die
Erscheinung der Schatten des Originals ist.
Genau dieser Widerspruch den findest du überall in der Welt. "in der
Welt" heisst in Wirklichkeit im Verstand. Ja und Nein, links und rechts, möglich,
unmöglich, glaub ich, glaub ich nicht --> Polarität.
Polarität macht einfach die Erfahrungswirklichkeit aus. Jetzt kannst du
erkennen, dass es hier ein Widerspruch gibt, der sich gedanklich darstellt. Du möchtest
ihn auf der Ebene von Gedanken klären und genau das es nicht möglich. Du kannst
nur feststellen, dass der gedankliche Raum aus Widersprüchen, bzw. aus einem
Spannungsfeld lebt und dich dazu einlädt, in diesem Spannungsfeld selbst die
Entdeckung deines Lebens zu machen.
Das bedeutet, du wendest dich dir selbst zu, also das Bewusstsein wendet
sich selbst in Form der Erscheinung zu.
Du erkennst und entdeckst, dass du bist und du erkennst, dass du nicht frei
von Programmierung bist. Dass du dich nicht so verhalten kannst, wie du möchtest.
Jetzt können wir natürlich fragen: Woher kommt Programmierung? Programmierung
ist nicht nur konditioniert, sondern natürlich gibt es genetische Faktoren.
Es ist vollkommen irrelevant, letzten Endes können wir einfach feststellen,
es gibt Anteile in uns auf die haben wir keinen gestaltungsmässigen Zugriff,
sondern die laufen so ab.
Dazu das Beispiel von einem Menschen, den du ein "Sensibelchen"
nennst, der nicht zu einem "Hansdampf in allen Gassen" werden kann. Das
ist absolut richtig. Es ist nur so, dass dieses Sensibelchen, wenn es sich
selbst entdeckt, eventuell überhaupt nicht mehr den Eindruck hat, ein
Sensibelchen zu sein.
Dieses Sensibelchen möchte auch nicht mehr anders sein, sondern
verwirklicht jetzt, was Sensibilität, was Feinfühligkeit, was Empfindsamkeit
ist.
Durch die Verwirklichung oder die Entdeckung von Sensibilität, genauso wie
durch die Entdeckung von progressiver Kraft, also "Hans Dampf in allen
Gassen", wird klar, dass ich sehr viel mehr Möglichkeiten habe, als ich
sie habe, wenn ich kein Sensibelchen oder kein Hans Dampf in allen Gassen sein
will.
Die Ablehnung einer Möglichkeit, führt dazu, dass die Möglichkeit sich
nicht ausdrücken kann – also in die Blüte finden kann. Übertragen wir dieses
Beispiel auf eine Pflanze.
Wenn eine Pflanze sich ihrer selbst bewusst wäre, und würde ihre Kultur und
Art ablehnen, in dem sie sagen würde: Gut, das ist ja determiniert, das
passiert alles von allein, da habe ich überhaupt keine Lust drauf, da muss ich
mich nicht drum kümmern. Dann würde die Kraft, die Zuversicht, der Wille des
Lebens sich selbst auszudrücken, in diesem Fall nicht zur Geltung kommen. Es würde
sich nicht entfalten. Die Pflanze würde nicht in die Blüte finden, über sich
hinaus in die Frucht und dann von sich lassen können.
Genau das ist auf dem Wege bewusster Verwirklichung möglich. Ich treffe auf
mich als Möglichkeiten-Feld. Das ist Potenzialität. Das, was ich als
Sensibelchen beschreibe, ist eben kein Sensibelchen, sondern ist weitaus mehr
als das, wie ich es im Moment vernehme.
Ich gehe immer tiefer in dieses Selbstvernehmen hinein und entdecke in
diesem Selbstvernehmen drinnen immer mehr, welche Möglichkeiten dadurch in den
Ausdruck finden und überhaupt zum Vorschein kommen.
D.h. das Leben wird durch Bewusstsein auf sich selbst aufmerksam und wenn
du auf etwas aufmerksam wirst, dann hast du Gestaltungsmöglichkeiten.
Deshalb ist es entscheidend, dass du darauf aufmerksam wirst, dass du zu
grossen Teilen programmiert bist. Wenn du das wirklich erkennst und einsiehst,
hörst du auf gegen die Programmierung zu kämpfen und schaust, ob es in dir
freie kreative impulsive Aspekte gibt, die sich verwirklichen können, statt gegen
Programmierung zu kämpfen.
Je tiefer du in dich selbst reinschaust, umso mehr kann es sein, dass die programmgemässen
Anteile in dir, dich immer weniger dominieren. Schlicht und ergreifend weil sie
nicht mehr die Instanz sind, die dich immer wieder auslösen, sondern du bist
selbst das Licht in dir.
Du lernst dich sehen. Du lernst dich in Form deiner Aspekte kennen und
dadurch bekommt dieses Erleben, dieser Erlebensraum, als den du dich erfährst,
immer mehr Möglichkeiten.
Es geht hier also nicht mehr darum, wie kann ich etwas überwinden, wie kann
ich geradezu das Gegenteil von dem was in mir angelegt ist verwirklichen. Nein.
Sondern, wie kann ich vollkommen verwirklichen, was in mir angelegt ist. Und
ich werde merken, ich werde darin niemals an ein Ende kommen, weil das was ich
bin, selbst wenn es begrenzt ist, sehr viel grösser und weiter ist, als das was
ich bisher über mich in Erfahrung gebracht habe, und besonders weit mehr als
das, was ich von mir glaube, was ich von mir zu wissen glaube.
Was ich von mir zu wissen glaube, limitiert mich und macht mich mir selbst und dem Leben gegenüber blind. D.h. es kann im Bewusstsein nicht mehr zu mir kommen – das ist ein ganz entscheidender Hinweis.